Dienstagsdialog des Förderfonds Wissenschaft in Berlin

Klimaschutz – eine Frage der Familie?

20. April 2021

 
Mit Prof. Dr. Michaela Kreyenfeld

Professorin für Soziologie an der Hertie School
Ordentliches Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften
Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats für Familienfragen
des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

und Prof. Dr. Erich Striessnig
Professor für Demografie und nachhaltige Entwicklung
am Institut für Demografie der Universität Wien
Wittgenstein Centre for Demography and Global Human Capital

Moderation: Dr. Andreas Edel
Executive Secretary von Population Europe
Max-Planck-Institut für demografische Forschung

Die Veranstaltung fand im Rahmen der Berliner Stiftungswoche statt.

Der Staat fördert umweltbewusstes Verhalten der Bürgerinnen und Bürger, beispielsweise durch Kaufprämien zur Stärkung der Elektromobilität, vergünstigte Kredite für energieeffiziente Gebäudesanierungen oder die Vergabe von Zertifikaten zur Energieeffizienz. Viele Menschen achten auch bei ihrem Konsumverhalten auf nachhaltig hergestellte Produkte. Aber können sich wirklich alle Familien einen solchen Lebensstil leisten?

Viele Familien ziehen derzeit aus den Städten in das Umland. Wie können Familien mit den sich dadurch veränderten Rahmenbedingungen umgehen, beispielsweise was die notwendige Infrastruktur vor Ort oder ihre berufliche Mobilität angeht?

Hinzu kommt, dass sich die Bevölkerung und damit auch die Familien in den kommenden Jahrzehnten stark verändern werden. Auch in der Umweltpolitik gilt es, diese Bevölkerungsdiversität zu verstehen, damit entsprechende Maßnahmen besser auf die jeweils unterschiedlichen Möglichkeiten der Familien in urbanen und ländlichen Räumen zugeschnitten werden können. Welche Rolle können die Familien selbst bei der Reduktion des ökologischen Fußabdrucks spielen?

Michaela Kreyenfeld zitierte eingangs die Forderung des Club of Rome, Prämien an kinderlose Frauen auszugeben. Das Argument, wie es auch in einem Spiegel-Artikel 2016 widergegeben wurde: Durch einen globalen Rückgang der Geburtenzahlen ließe sich die weltweite Armut verringern und gleichzeitig Umweltschutz betreiben. Wie auch immer man eine solche Forderung einschätze – die Politik müsse sich ihrer Ansicht nach stärker mit dem Zusammenhang von Familienverhalten und Klimakrise beschäftigen. Sie ging auch auf die aktuellen Entwicklungen im Zuge der COVID-19-Pandemie ein: Das Arbeiten im Homeoffice habe unseren "ökologischen Fußabdruck" durchaus verringert. Allerdings müsse dabei berücksichtigt werden, dass es eine Vielzahl an Berufen gäbe, die nicht von zu Hause aus ausgeübt werden können – was wiederum einen Einfluss auf die soziale Ungleichheit habe.

Erich Striessnig betonte einen anderen Aspekt des Themas: Die Entscheidung für oder gegen Kinder berühre eine Frage, die Menschen grundlegend über ihre Zukunft nachdenken lasse. Inwieweit lassen sich Wechselwirkungen zwischen einem Kinderwunsch und der Klimakrise beobachten? Striessnig weist zunächst auf das Fehlen von langfristig angelegten Studien hin. Zu den häufigsten Gründen, keine Kinder zu bekommen, gehörten etwa der Mangel an erforderlichem Wohnraum, die geringe Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder das fehlende Vertrauen in die Partnerschaft. Diese Gründe hätten heute mehr Einfluss auf den Kinderwunsch als die Sorge um die Klimakrise. Allerdings sollte man hier die "Generation Greta" im Blick behalten, denn jüngere Menschen seien deutlich stärker für das Thema sensibilisiert. Dies könnte langfristig Auswirkungen auf Fertilitätsentscheidungen haben.

Darüber hinaus gelte es, die Veränderung des ökologischen Fußabdrucks nach bestimmten Ereignissen im Lebensverlauf zu beobachten, etwa nach Familiengründung oder Scheidung, Berufs- und Wohnortwechseln sowie im Zuge von Alterungsprozessen, so Kreyenfeld. Familiensoziologen sollten ihrer Ansicht nach stärker in die Stadtplanung einbezogen werden, denn Familie und Wohnen hingen eng miteinander zusammen. Beispielsweise gäbe es im Rahmen von Trennungen Paare, die sich für das "Nestmodell" entscheiden, bei dem das Kind weiter in der ehemaligen gemeinsamen Wohnung bleibt und die Eltern in neue getrennte Wohnungen ziehen. Obwohl diese Arrangements noch wenig verbreitet sind, geht mit ihnen ein höherer Verbrauch an Flächen und Umweltressourcen einher. Und auch hier seien Aspekte von sozialer Ungleichheit zu berücksichtigen, da sich ohnehin nur Besserverdienende diese Form des Wohnens leisten könnten. Welche (generationenübergreifenden) Formen des Wohnens bieten sich für welche Familienformen an?

Wie stark können und wollen Familien gemeinsam umweltbewusst leben? Und was kann die Politik tun, um hierbei zu unterstützen? Es gehe darum, Familien als Akteure des Wandels zu aktivieren und stärker an der sozioökologischen Transformation teilhaben zu lassen, betonte Erich Striessnig. In den Familien würden schließlich die Weichen gestellt, die über den ökologischen Fußabdruck der nächsten Generation entscheiden. Es gehe darum, junge Erwachsene bei ihrem Kinderwunsch und dann bei der Überwindung der Herausforderungen, die eine Familiengründung mit sich bringe, stärker zu unterstützen. Dies erfordere Investitionen in Infrastruktur, Kinderbetreuung, Freizeit- und Lehrangebote, aber auch entsprechende Lern- und Fortbildungsmöglichkeiten, um das Umweltbewusstsein zu stärken. Je mehr Eltern ihren Kindern eine nachhaltige Lebensweise vorlebten, desto umweltbewusster werde die nächste Generation von Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern sein. Schließlich seien auch die Babyboomer mit der wachsenden Umweltbewegung groß geworden und infolgedessen für das Thema stärker mobilisierbar.

"Die Zukunft dieser Welt liegt in unseren Händen, und wir müssen verstehen, welchen Beitrag Einzelne leisten können. Es war mir eine Freude, im Rahmen der heutigen Veranstaltung einen kleinen Beitrag dazu geleistet zu haben", betont Erich Striessnig. "Wir haben in dem heutigen Dienstagsdialog wieder einmal festgestellt, wie wichtig ein fruchtbarer Austausch von Bevölkerungsexpertinnen und -experten ist. Die Themen stehen eng miteinander in Verbindung, und man sollte stets wissen, wie das eigene Wirken die andere Seite beeinflusst", schließt Michaela Kreyenfeld.